Dr. Wolfgang Ruhrmann verstorben

*28.06.1933 – †11.12.2023

Nachruf Dr. Ruhrmann

von Ulf Engel


Erinnerungen an Dr. Wolfgang Ruhrmann

Wie ich kürzlich durch einen spontanen Kontakt mit dem früheren Vereinsmitglied Uli Gröbe erfuhr, verstarb am 11. Dezember 2023 Dr. Wolfgang Ruhrmann im Alter von 90 Jahren.
Mit einigen Erinnerungsschnipseln aus der Zeit nach der Fusion der beiden Vereine aus Rohr und Vaihingen möchte ich einer prägenden Persönlichkeit der damaligen Zeit die Ehre erweisen.

Beruflich war Dr. Ruhrmann Inhaber einer Reißverschlussfabrik gewesen, die als vergleichsweise kleines Unternehmen dem Wettbewerb mit wesentlich größeren Konkurrenten nicht gewachsen war und in den frühen 1970er-Jahren insolvent ging. Diese
durchaus als solche empfundene Niederlage verarbeitete Dr. Ruhrmann jedoch in beeindruckender Weise. Er fasste anderweitig wieder Fuß; im Verein erwies er sich in einer Phase, als zum ersten Mal gezielt Jugendliche in die ersten beiden Mannschaften eingebaut
wurden, als deren väterlicher Mentor, Tröster und Aufbauhelfer nach Niederlagen sowie als begeisterter Anfeurer nach unerwarteten Siegen.
Ohne dass es jemals Thema war, war seine Lebenserfahrung zu spüren und verlieh ihm eine natürliche Autorität. Unter seinen Fittichen fand auch ich ein schönes Plätzchen, und ganz habe ich es bis zu meinem Ausscheiden als aktiver Spieler im Jahr 1990 nie verlassen. Über etwa anderthalb Jahrzehnte nach meinem Weggang pflegten Dr. Ruhrmann und ich noch eine unregelmäßige Korrespondenz, die über die Jahre schließlich versiegte; die sich an verschiedenen Orten auseinander bewegenden persönlichen Entwicklungen ergaben das keineswegs gewollt, aber eigentlich auch nicht zwingend.

Schachlich nahmen wir Jüngeren Dr. Ruhrmann im Umfeld von Spielern wie Eugen Plautz und Claus Franke wahr, die in etwa auch in seine Altersklasse fielen und zu jeder Stunde des Tages in der Lage waren, das Brett innerhalb weniger Züge in Flammen zu setzen. Dieser Seite des Spiels war er durchaus zugetan, und das vor allem, wenn er Schwarz hatte und die Skandinavische Verteidigung oder das Budapester Gambit anbringen konnte. Ein Partieausschnitt aus den 80er-Jahren, als Dr. Ruhrmann gegen Schachfreund Plocher aus
Leinfelden die schwarzen Steine führte, verdeutlicht das. Ruhrmann geht es von vorneherein aggressiv an; natürlich könnte Weiß besser spielen, aber Sfr. Plocher kennt sich, anders als sein Gegner, in der Eröffnung nicht wirklich aus:

(Bedienungshinweis: beim Anklicken eines Zuges öffnet sich ein Navigationsdiagramm. So lässt sich die Partie leichter verfolgen.)

Dr. Ruhrmann konnte aber auch mehrstündige schwierige und zähe Partien durchstehen und gewinnen. Seine Schwäche für den Springer habe ich schon angesprochen: Er galt über viele Jahre als Experte in Springerendspielen, in denen er manchen wichtigen halben und ganzen Punkt sichern konnte. Seinen in meiner subjektiven Sicht wichtigsten Punkt holte er aber in einem Mannschaftskampf gegen HP Böblingen, und das ohne irgendeinen Springer, sondern mit Schwarz mit T+L gegen 2T und jeweils einigen Bauern, also aus einer Stellung mit Minusqualität heraus. Es war in der Ära, als es noch keine Computer mit nennenswerter Spielstärke gab und die Partien nach vier Stunden für eine Stunde unterbrochen wurden. Ein Dreierteam fand in der einstündigen Analyse eine Möglichkeit, trotz des Materialrückstands zu aktivem Spiel zu kommen. Da die Mannschaft einen Punkt zurücklag, nützte ein Remis nichts, Ruhrmann musste gewinnen. Es gelang ihm. Die entscheidende Phase dieser Partie ist im Jubiläumsjahr 2006 in einer der Rohrspatz-Ausgaben besprochen worden: Die Heldentat des Dr. Ruhrmann

Denke ich an Dr. Ruhrmann zurück, so erinnere ich mich an einen starken Menschen, der stets pointiert diskutieren konnte und zugleich große Wärme ausstrahlte. Er war auch ein Teamplayer, dem das Ganze am Herzen lag und für das er sich auf unterschiedlichste Weise einsetzte. Wenn ich einmal außer für mich selbst auch für Uli Gröbe und Matthias Naumann sprechen darf (ohne die jetzt fragen zu können), er hätte unser Vater sein können, und irgendwie war er’s auch, Sonntags zwischen acht und vier oder auch mal spät am Donnerstagabend. Es sind gute Erinnerungen, für die ich dankbar bin. Möge er in Frieden ruhen.

Ulf Engel

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